Drohung gegen EU-Unternehmen und Russland Vom US-Senat beschlossene neue Sanktionen gegen Russland haben Empörung bei europäischen Sozialdemokraten ausgelöst.“Außenminister Sigmar Gabriel und Österreichs Bundeskanzler Christian Kern warfen den USA vor, mit dem Beschluss aus eigenen wirtschaftlichen Interessen gezielt Druck auf EU-Firmen ausüben zu wollen. „In bemerkenswerter Offenheit beschreibt der US-Gesetzentwurf, worum es eigentlich geht: um den Verkauf amerikanischen Flüssiggases und die Verdrängung russischer Erdgaslieferungen vom europäischen Markt“, kritisieren die beiden Sozialdemokraten in einer gemeinsamen Erklärung. Ziel sei es, Arbeitsplätze in der Erdgas- und Erdölindustrie der USA zu sichern. „Nicht akzeptieren können wir allerdings die Drohung mit völkerrechtswidrigen extraterritorialen Sanktionen gegen europäische Unternehmen, die sich am Ausbau der europäischen Energieversorgung beteiligen“, heißt es weiter. „Europas Energieversorgung ist eine Angelegenheit Europas, und nicht der Vereinigten Staaten von Amerika!“, schreiben beide Sozialdemokraten. Und das hat nicht Trump beschlossen, sondern eine große Senatsmehrheit aus Republikanern und Demokraten, die wohl auch ein Veto von Trump überstimmen könnten. Die Mehrheit der US-amerikanischen Elite – und nicht nur Trump – auf Konfrontationskurs mit dem Rest der Welt

 

Die erste Nordstream-Pipeline aus Russland, hier in Greifswald, ist seit 2011 in Betrieb. Eine zweite soll folgen.Die erste Nordstream-Pipeline aus Russland, hier in Greifswald, ist seit 2011 in Betrieb. Eine zweite soll folgen.(Foto: picture alliance / dpa)
Donnerstag, 15. Juni 2017

„Drohung gegen EU-Unternehmen“Berlin kritisiert US-Sanktionen scharf

Außenminister Gabriel und Österreichs Bundeskanzler Kern werfen den USA vor, mit ihren neuen Sanktionen gegen Russland wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Dies sei völkerrechtswidrig – und verhindere den Ausbau der europäischen Energieversorgung.

Vom US-Senat beschlossene neue Sanktionen gegen Russland haben Empörung bei europäischen Sozialdemokraten ausgelöst. Außenminister Sigmar Gabriel und Österreichs Bundeskanzler Christian Kern warfen den USA vor, mit dem Beschluss aus eigenen wirtschaftlichen Interessen gezielt Druck auf EU-Firmen ausüben zu wollen. „In bemerkenswerter Offenheit beschreibt der US-Gesetzentwurf, worum es eigentlich geht: um den Verkauf amerikanischen Flüssiggases und die Verdrängung russischer Erdgaslieferungen vom europäischen Markt“, kritisieren die beiden Sozialdemokraten in einer gemeinsamen Erklärung. Ziel sei es, Arbeitsplätze in der Erdgas- und Erdölindustrie der USA zu sichern.

„Nicht akzeptieren können wir allerdings die Drohung mit völkerrechtswidrigen extraterritorialen Sanktionen gegen europäische Unternehmen, die sich am Ausbau der europäischen Energieversorgung beteiligen“, heißt es weiter. „Europas Energieversorgung ist eine Angelegenheit Europas, und nicht der Vereinigten Staaten von Amerika!“, schreiben beide Sozialdemokraten. „Wer uns Energie liefert und wie, entscheiden wir, nach Regeln der Offenheit und des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs.“

Was steht hinter den Sanktionen - wirtschaftliche Interessen von US-Firmen im Ausland, sagen Sigmar Gabriel und Christian Kern.

Was steht hinter den Sanktionen – wirtschaftliche Interessen von US-Firmen im Ausland, sagen Sigmar Gabriel und Christian Kern.(Foto: AP)

Hintergrund ist der Streit um den Bau der Nordstream-II-Pipeline, die mehr russisches Gas nach Deutschland und in die EU liefern soll. Der US-Senat hatte mit großer Mehrheit für neue Sanktionen gegen Russland gestimmt. Russland soll so nach US-Darstellung für eine Einmischung in die Präsidentenwahl in den USA, die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und die Unterstützung der Regierung in Damaskus im syrischen Bürgerkrieg bestraft werden.

An der Börse in Moskau verursachten die Sanktionen große Unsicherheit. Präsident Wladimir Putin versuchte die Bürger seines Landes zu beruhigen: Die Wirtschaft wachse bereits seit drei aufeinanderfolgenden Quartalen wieder. Putin sagte, er verstehe den Schritt des US-Senats nicht. Das Vorgehen der USA habe „keinerlei Grundlage“. Er fügte hinzu: „Wenn es die Krim nicht gäbe, hätten sie (die USA) sich etwas anderes ausgedacht, um ihre Strategie der Eindämmung Russlands zu rechtfertigen.“

Um Gesetzeskraft zu erlangen, muss die Vorlage das US-Repräsentantenhaus passieren und von Präsident Donald Trump unterzeichnet werden. Befürworter der Maßnahmen zeigten sich angesichts der Unterstützung über Parteigrenzen hinweg überzeugt, ein Veto des Präsidenten notfalls überstimmen zu können.

„Sehr negative Qualität“

Österreichs Regierung hatte sich bereits in der Vergangenheit für eine Lockerung der EU-Sanktionen ausgesprochen. Die SPÖ hatte angedeutet, dass sie nach der Wahl auch eine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ nicht mehr ausschließt. Diese wiederum unterhält eine „strategische Partnerschaft“ mit Putins Partei Einiges Russland. Auch Gabriel hatte sich mehrfach für eine schrittweise Lockerung der im Ukraine-Russland-Konflikt verhängten EU-Sanktionen ausgesprochen, diese allerdings immer an Fortschritte bei der Lösung der Krise in der Ostukraine geknüpft. Es sei bedauerlich, dass die USA sich nicht mit den Europäern abgestimmt hätten, schreiben Gabriel und Kern. Ein geschlossenes Vorgehen sei zur Lösung des Ukraine-Konflikts nötig.

Jetzt stoßen sich beide Sozialdemokraten daran, dass die neuen US-Sanktionen die EU-Firmen unter Druck setzen könnten, die sich am Bau der neuen Gaspipeline Nordstream II beteiligen. Dazu gehören unter anderem BASF und OMV. „Politische Sanktionsinstrumente sollten nicht mit wirtschaftlichen Interessen in Verbindung gebracht werden“, mahnen Gabriel und Kern. „Unternehmen in Deutschland, Österreich und anderen europäischen Staaten auf dem US-Markt mit Bestrafungen zu drohen, wenn sie sich an Erdgasprojekten wie Nordstream II mit Russland beteiligen oder sie finanzieren, bringt eine völlig neue und sehr negative Qualität in die europäisch-amerikanischen Beziehungen“, warnen sie. Beide unterstützten deshalb sehr die Bemühungen des US-Außenministeriums, diesen Gesetzentwurf zu verändern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Nordstream-II-Pläne erneut als wirtschaftliches und nicht als politisches Projekt. Sie lehnte Überlegungen ab, der EU-Kommission ein eigenes Mandat für die Verhandlungen mit Russland zu geben. Nötig sei vielmehr die Klärung von Rechtsfragen. „Ich glaube nicht, dass wir dazu ein eigenes Mandat brauchen“, sagte sie.

Das Nordstream II-Projekt ist auch in der EU umstritten. Etliche osteuropäische Regierungen wie Polen kämpfen vehement gegen den Bau der Pipeline. Sie fürchten, dass ihnen Durchleitungsgebühren verloren gehen, weil russisches Gas bisher vor allem durch die Ukraine und Polen nach Westeuropa transportiert wird. Italien wiederum hätte lieber eine Anbindung mit russischem Gas durch Südosteuropa.

http://www.n-tv.de/politik/Berlin-kritisiert-US-Sanktionen-scharf-article19892533.html

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